Schuldenreduktion und Darlehensaufnahme?

Wie passen diese beiden Worte zusammen? Wie kann man mit Darlehensaufnahmen Schulden reduzieren?

Als ich den Schuldenstand der Gemeinde Vösendorf (inkl. Kommunal GmbH) das erste mal sah, hätte ich am liebsten einen rigorosen Sparkurs gestartet und überhaupt keine Darlehen mehr aufgenommen! Doch dann kam die Feuerwehr mit dem Ersuchen bezüglichen eines neuen Autos. Kostenpunkt rund
€ 500.000,–.

Und damals begann ich zu überlegen. Ich war angetreten mit dem Versprechen die Schulden zu reduzieren. Es gab kein Sparbuch wo das Geld vorhanden war. Es gab überhaupt kein Sparbuch. Wir hatten gerade die bestehenden Darlehen stunden müssen weil wir sonst nicht liquide gewesen wären. Wie lange würde ich wohl sparen müssen um die € 500.000,– auf die Seite zu schaffen? Und hatte die Feuerwehr so viel Zeit? Wie sollte ich also zum einen mein Wahlversprechen halten und zum anderen der Feuerwehr helfen?

Nach der Feuerwehr kamen übrigens die Kläranlage wegen einer neuen IT Ausstattung, der Wirtschaftshof wegen neuen Fahrzeugen, das Bauamt wegen Brückensanierung und öffentlicher Beleuchtung, die Umweltabteilung wegen Radwegen, Bäumen und Photovoltaikanlagen,…..

Ich ging in die Buchhaltung und ließ mir sagen wieviel Euro wir jedes Jahr für die Darlehenstilgung (exklusive Zinsen) ausgeben. Mit der Kommunal GmbH waren das € 3,3 Millionen – jährlich! Und da reifte ein Plan. Was wenn wir jedes Jahr weniger Darlehen aufnehmen, als wir tilgen? Dann würde der Schuldenstand automatisch kleiner, obwohl wir uns immer wieder neu verschulden. Nicht optimal, aber ein erster Schritt in die richtige Richtung.

Also achtete ich bei der Budgeterstellung darauf, welche Projekte in welcher Höhe budgetiert werden. In den Voranschlägen sieht es aber oftmals nach sehr viel mehr aus, was daran liegt, dass für die Darlehensaufnahme nicht das Beauftragungsdatum, sondern der Zahlungszeitpunkt ausschlaggebend ist. Ein Feuerwehrauto hat eine Lieferzeit von weit über einem Jahr. Ich muss es also heuer budgetieren um es heuer zu beauftragen. Zahlen muss ich es aber erst nach Lieferung!

Um den Plan umsetzen zu können brauchte es neben dem politischen Willen, viel Planung und genaues rechnen. Doch es zahlte sich aus. Wir schafften es, trotz vieler Herausforderungen von außen, enorm viele Projekte umzusetzen und den Schuldenstand und damit auch die Fixkosten sukzessive zu reduzieren.

Gemeindebudget V – Budgetziele

Auch wenn Gemeinden den selben wirtschaftlichen Rahmenbedingungen unterliegen wie private Unternehmen, hat eine Gemeinde doch ein ganz ein anderes Budgetziel. Es gilt nicht, Gewinne zu erwirtschaften, es geht vielmehr darum das eingenommene Geld für die Gemeindebürger bestmöglich zu verwenden.

Manche Ausgaben nimmt man unmittelbar wahr, wie zum Beispiel das schöne neue Müllauto, das auf unseren Straßen nicht zu übersehen ist. Andere Ausgaben sind ebenso wichtig, werden aber von den Gemeindebürgern nicht gesehen – Wie zum Beispiel die Sanierung des Kanals. Manche Ausgaben kommen nur Familien zu Gute, andere Ausgaben nur Pensionisten oder Öffi-Nutzern, usw. Von manchen Ausgaben profitieren einzelne Vereine -Subventionen. Von manchen profitieren alle Vereine die wollen – Stand am Schlossparkfest.

Das Ausgabenspektrum einer Gemeinde ist sehr umfangreich und meine Aufgabe ist es darauf zu achten – dort wo wir Handlungsspielraum haben – die Budgetmittel fair zu verteilen. Ob mir das gelingt sehe ich am einfachsten daran, wenn alle ein wenig unzufrieden mit den ihnen zur Verfügung gestellten Budgetmittel sind.

Was bei einem Gemeindebudget ebenfalls kein Thema ist, ist Amortisation (Kosten, Investitionen durch Erträge wieder hereinbringen). Geht ja auch gar nicht, da wir ja nichts verkaufen und Geld verdienen. Wie sollte man messen ob sich ein neues Feuerwehrauto amortisiert?

Ein Gemeindebudget ist also ganz anders zu betrachten als das Budget eines Unternehmens. Und ganz wichtig ist dabei immer die Budgetgrundsätze der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit im Blick zu behalten.

Gemeindebudget IV – Darlehen

Wie bereits in den vorhergehenden Beiträgen beschrieben, stellen wir die voraussichtlichen Einnahmen den benötigten Ausgaben gegenüber. Sollte nach den Ermessensausgaben nichts mehr übrig bleiben, müssen wir die geplanten Projekte mit neuen Darlehen finanzieren.

Als ich im Frühjahr 2020 die Funktion als GGR Finanzen übernommen habe, hatten wir einen Schuldenstand von 38,3 Mio Euro Schulden (Gemeinde und Kommunal GmbH gesamt). Als ich diese Zahl das erste Mal gesehen habe und das Jahresbudget der Gemeinde gegenüber gestellt habe, hätte ich am liebsten einen radikalen Sparkurs gestartet. Doch 14 Tage nach der Angelobung kam Corona und die SCS sperrte zu. Daraufhin mussten wir gleich mal unsere Darlehen stunden und konnte ein halbes Jahr, erstmal gar nichts abbauen.

Und auch danach ging nicht so viel, wie ich gerne gehabt hätte. Neues Feuerwehrauto, neues Müllauto, Kanaleinbruch, und und und. Um die Daseinsvorsorge sicherstellen zu können, braucht es sehr viel mehr Geld, als ich mir vor meiner Zeit als Gemeindrätin vorstellen hätte können.

Doch bisher konnten wir trotzdem jedes Jahr zumindest ein wenig Schulden abbauen. Von 38,3 Mio Euro auf 35,3 Mio Euro. 3 Millionen in 3 Jahren. Das kann sich eigentlich sehen lassen, auch wenn es mir viel zu wenig ist.

Heuer haben wir bis jetzt noch kein Darlehen benötigt, doch der Blick aufs Girokonto sagt mir, das wird nicht so bleiben.

Quelle: Rechnungsabschlüsse Gemeinde Vösendorf und Bilanzen Kommunal GmbH